Gedichte von Heinrich Heine – 20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo im Buch der Lieder

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Robert Schumann komponierte die „20 Lieder und Gesänge“ nach Gedichten von Heinrich Heine im Zeitraum vom 24. Mai 1840 bis 1. Juni 1840; dieser Liederzyklus wurde ursprünglich Felix Mendelssohn Bartholdy gewidmet. Die Gedichte stammten aus dem Lyrischen Intermezzo (1822–1823) von Heine, die in der Gedichtsammlung „Buch der Lieder“ veröffentlicht wurden. In dem Autograph mit dem originalen Titelblatt lautet der Titel der Urfassung wie folgt: Gedichte | von Heinrich Heine. | 20 Lieder und Gesänge | aus dem Lyrischen Intermezzo im Buch der Lieder | für eine Singstimme und das Pianoforte | componirt | und | Hrn. Dr. Felix Mendelssohn Bartholdy | freundschaftlich zugeeignet | von | Robert Schumann. | 2ter Liederkreis | aus dem Buch der Lieder. | Op. 29. Heft. 1. u. 2.

Gedichte von Heinrich Heine – 20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo

Schumann versuchte zuerst ohne Erfolg den kompletten Zyklus von 20 Liedern bei verschiedenen Verlagen zu veröffentlichen.[1] Erst 1844 wurden sie in reduzierter Form, mit 16 anstatt 20 Liedern, bei Edition Peters als sog. Dichterliebe (als op. 48) und in zwei Bänden zu je 8 Liedern veröffentlicht.

Die vier ungedruckten und aussortierten Lieder (in der Urfassung: Nr. 5 und 6, sowie Nr. 15 und 16) wurden als Bestandteile späterer Liedersammlungen im op. 127 (Erstdruck: 1854 – Lieder Nr. 5 und 15 der Urfassung) und im op. 142 (Erstdruck: 1858 – Lieder Nr. 6 und 16) veröffentlicht. Darüber hinaus wurden vereinzelt auch in den 16 veröffentlichten Liedern der Dichterliebe op. 48 einige Kürzungen, sowie weitere Veränderungen, Vereinfachungen und harmonische Glättungen vorgenommen.

In den 20 Liedern ist zum einen eine motivische und thematische Entwicklung festzustellen, wie im sog. „Clara-Motiv“[2] (c – h/b – a – g/gis – a) oder in anderen Motiven und in einzelnen Tönen. Zum anderen ist entweder eine Quint- oder eine Terzverwandtschaft unter den Liedern ein charakteristisches Bindeglied in der Harmonik, wobei gewisse Entsprechungen und Symmetrien feststellbar sind.

Diese Gedichte von Heinrich Heine – 20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo im Buch der Lieder zeigen als Urfassung der Dichterliebe nicht nur andere Merkmale in dem Klaviersatz, sondern auch in der Singstimme (Umfang: g° – as²/gis²), die in der Urfassung von 1840 im Gegensatz zu dem Erstdruck von 1844 stellenweise stärker in den Klaviersatz eingebettet ist. Vergleicht man beide Fassungen, so könnte man von der Urfassung als von einer Version sprechen, in der die Singstimme und das Pianoforte eher gleichberechtigt auftreten, wogegen die Fassung des Erstdrucks vereinzelt die Singstimme in den Vordergrund stellt.

Die Urfassung von 1840 ist somit in ihrer ungekürzten Form und musikalischen Aussagekraft einzigartig. In den letzten Jahren haben die Aufführungen der Urfassung ein größeres Interesse erfahren.[3]

2023 wurde die Urfassung von 1840 erstmals in einer frei zugänglichen Publikation (Open Access) von Danijel Drilo veröffentlicht (siehe Editionen).

Titel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Lyrischen Intermezzo aus dem Buch der Lieder wurden die Gedichte nicht mit Überschriften versehen, bei den Liedertiteln handelt es sich somit um Incipits.

  1. Im wunderschönen Monat Mai
  2. Aus meinen Thränen sprießen
  3. Die Rose, die Lilie, die Taube
  4. Wenn ich in deine Augen seh’
  5. Dein Angesicht
  6. Lehn’ deine Wang’
  7. Ich will meine Seele tauchen
  8. Im Rhein, im heiligen Strome
  9. Ich grolle nicht
  10. Und wüßten’s die Blumen
  11. Das ist ein Flöten und Geigen
  12. Hör’ ich das Liedchen klingen
  13. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
  14. Am leuchtenden Sommermorgen
  15. Es leuchtet meine Liebe
  16. Mein Wagen rollet langsam
  17. Ich hab’ im Traum geweinet
  18. Allnächtlich im Traume
  19. Aus alten Mährchen winkt es
  20. Die alten, bösen Lieder

Liedertexte (nach Schumanns Autograph)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Im wunderschönen Monat Mai,
als alle Knospen sprangen,
da ist in meinem Herzen
die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
als alle Vögel sangen,
da hab’ ich ihr gestanden
mein Sehnen und Verlangen.

2. Aus meinen Thränen sprießen
viel blühende Blumen hervor,
und meine Seufzer werden
ein Nachtigallenchor,

und wenn du mich lieb hast, Kindchen,
schenk’ ich dir die Blumen all’,
und vor deinem Fenster soll klingen
das Lied der Nachtigall.

3. Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne,
Die liebt’ ich einst alle in Liebeswonne,
ich lieb’ sie nicht mehr, ich liebe alleine
die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine;
sie selber, aller Liebe Bronne,
ist Rose und Lilie und Taube und Sonne,
  ich liebe alleine
  die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine!

4. Wenn ich in deine Augen seh’,
so schwindet all’ mein Leid und Weh
doch wenn ich küsse deinen Mund,
so werd’ ich ganz und gar gesund.

Wenn ich mich lehn’ an deine Brust,
kommt’s über mich wie Himmelslust,
doch wenn du sprichst: ich liebe dich,
so muß ich weinen bitterlich.

5. Dein Angesicht so lieb und schön,
das hab’ ich jüngst im Traum geseh’n.
Es ist so mild und engelgleich,
und doch so bleich und schmerzensreich.

Und nur die Lippen, die sind roth,
bald aber küßt sie bleich der Tod,
erlöschen wird das Himmelslicht,
das aus den frommen Augen bricht.
  Dein Angesicht so lieb und schön,
  das hab’ ich jüngst im Traum geseh’n,
  es ist so mild, und engelgleich,
  und doch so bleich so schmerzensbleich.

6. Lehn deine Wang’ an meine Wang’,
dann fließen die Thränen zusammen,
und an mein Herz drück’ fest dein Herz,
dann schlagen zusammen die Flammen.

Und wenn in die große Flamme fließt
der Strom von unsern Thränen,
und wenn dich mein Arm gewaltig umschließt,
sterb’ ich vor Liebessehnen.

7. Ich will meine Seele tauchen
in den Kelch der Lilie hinein,
die Lilie soll klingend hauchen
ein Lied von der Liebsten mein.

Das Lied soll schauern und beben
wie der Kuß von ihrem Mund,
den sie mir einst gegeben
in wunderbar süßer Stund’.

8. Im Rhein, im heiligen Strome,
da spiegelt sich in den Well’n
mit seinem großen Dome
das große, heilige Cöln.

Im Dom da steht ein Bildniß,
auf goldenem Leder gemahlt.
In meines Lebens Wildniß
hat’s freundlich hineingestrahlt.

Es schweben Blumen und Englein
um unsre liebe Frau.
Die Augen, die Lippen, die Wänglein,
die gleichen der Liebsten genau.

9. Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht,
Ewig verlornes Lieb, ich grolle nicht.
Wie du auch strahlst in Diamanten Pracht,
es fällt kein Strahl in deines Herzens Pracht.
Das weiß ich längst.
  Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht.
Ich sah dich ja im Traume,
und sah die Nacht in deines Herzens Raume,
und sah die Schlang’, die dir am Herzen frißt,
ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist.
  Ich grolle nicht.

10. Und wüßten’s die Blumen, die kleinen,
wie tief verwundet mein Herz,
sie würden mit mir weinen
zu heilen meinen Schmerz.

Und wüßten’s die Nachtigallen
wie ich so traurig und krank,
sie ließen fröhlich erschallen
erquickenden Gesang.

Und wüßten sie mein Wehe,
die goldenen Sternelein,
sie kämen aus ihrer Höhe,
und sprächen Trost mir ein.

Die alle können’s nicht wissen,
nur Eine kennt meinen Schmerz,
sie hat ja selbst zerrissen,
zerrissen mir das Herz.

11. Das ist ein Flöten und Geigen.
Trompeten schmettern drein
da tanzt den Hochzeitreigen,
die Herzallerliebste mein.

Das ist ein Klingen und Dröhnen,
von Pauken und von Schal’meien
dazwischen schluchzen und stöhnen,
die guten Engelein.

12. Hör’ ich das Liedchen klingen,
das einst die Liebste sang,
so will mir die Brust zerspringen,
vor wildem Schmerzendrang.

Es treibt mich ein dunkles Sehnen
hinauf zur Waldeshöh’
dort löst sich auf in Thränen
mein übergroßes Weh’.

13. Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
die hat einen Andern erwählt,
der Andre liebt eine Andre,
und hat sich mit dieser vermählt.

Das Mädchen nimmt aus Aerger
den ersten besten Mann,
der ihr in den Weg gelaufen,
der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte,
doch bleibt sie immer neu,
und wem sie just passiret,
dem bricht das Herz entzwei.

14. Am leuchtenden Sommermorgen
geh’ ich im Garten herum.
Es flüstern und sprechen die Blumen,
ich aber wandle stumm.

Es flüstern und sprechen die Blumen
und schau’n mitleidig mich an:
Sei unserer Schwester nicht böse,
du trauriger, blasser Mann.

15. Es leuchtet meine Liebe
in ihrer dunkeln Pracht,
wie’n Mährchen traurig und trübe,
erzählt in der Sommernacht.

Im Zaubergarten wallen
zwei Buhlen stumm und allein,
Es singen die Nachtigallen,
es flimmert der Mondenschein.

Die Jungfrau steht still wie ein Bildniß,
der Ritter vor ihr kniet.
Da kommt der Ritter der Wildniß,
die bange Jungfrau flieht.

Der Ritter sinkt blutend zur Erde,
es stolpert der Riese nach Haus.
Wenn ich begraben werde
dann ist das Mährchen aus.

15. Mein Wagen rollet langsam
durch lustiges Waldesgrün,
durch blumige Thäler, die zaubrisch
im Sonnenglanze blüh’n.
Ich sitze und sinne und träume,
und denk’ an die Liebste mein;

Da grüßen drei Schattengestalten
kopfnickend zum Wagen herein,
sie hüpfen und schneiden Gesichter
so spöttisch und doch so scheu,
und quirlen wie Nebel zusammen,
und kichern und huschen vorbei.

17. Ich hab’ im Traum geweinet.
Mir träumte, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Thräne
floß noch von der Wange herab.

Ich hab’ im Traum geweinet.
Mir träumt’, du verließest mich,
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.

Ich hab’ im Traum geweinet,
mir träumte, du wärst mir noch gut.
Ich wachte auf und noch immer
strömt meine Thränenfluth.

18. Allnächtlich im Traume seh’ ich dich
und sehe dich freundlich grüßen,
und laut aufweinend stürz’ ich mich
zu deinen süßen Füßen.

Du siehst mich an wehmüthiglich,
und schüttelst das blonde Köpfchen,
aus deinen Augen schleichen sich
die Perlenthränentröpfchen.

Du sagst mir heimlich ein leises Wort,
und giebst mir den Strauß von Cypressen;
ich wache auf und der Strauß ist fort
und’s Wort hab’ ich vergessen.

19. Aus alten Mährchen winkt es
hervor mit weißer Hand,
da singt es und da klingt es
von einem Zauberland:

wo bunte Blumen blühen
im gold’nen Abendlicht,
und lieblich duftend glühen
mit bräutlichem Gesicht;

Und grüne Bäume singen
uralte Melodein,
die Lüfte heimlich klingen
und Vögel schmettern drein.

Und Nebelbilder steigen
wohl aus der Erd’ hervor
und tanzen luft’gen Reigen
im wunderlichen Chor,

und blaue Funken brennen
an jedem Blatt und Reis,
und rothe Lichter rennen
im irren, wirren Kreis,

und laute Quellen brechen
aus wildem Marmorstein,
und seltsam in den Bächen
strahlt fort der Widerschein.

Ach: könnt’ ich dorthin kommen,
und dort mein Herz erfreu’n,
und aller Qual entnommen,
und frei und selig sein!

Ach, jenes Land der Wonne,
das seh’ ich oft im Traum.
Doch kommt die Morgensonne,
zerfließt’s wie eitel Traum.

20. Die alten bösen Lieder,
die Träume bös’ und arg,
die laßt uns jetzt begraben,
holt einen großen Sarg.

Hinein leg’ ich gar manches
doch sag’ ich noch nicht was.
Der Sarg muß sein noch größer,
wie’s Heidelberger Faß.

Und holt eine Todtenbahre,
und Breter dick und fest,
auch muß sie sein noch länger,
als wie zu Mainz die Brück’,

und holt mir auch zwölf Riesen,
die müssen noch stärker sein
als wie der starke Christoph
im Dom zu Cöln am Rhein.

Die sollen den Sarg forttragen,
Und senken ins Meer hinab,
denn solchem großen Sarge
gebührt ein großes Grab.

Wißt ihr warum der Sarg wohl
So groß und schwer mag sein?
Ich senkt’ auch meine Liebe,
und meinen Schmerz hinein.[4]

Editionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Buch der Lieder (Heine) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michael Heinemann: Robert Schumann: Dichterliebe – Analytische Miniaturen. Verlag Dohr, (2017), S. 136.
  2. Jihye Yoo: An Awareness of the Clara Motive in Dichterliebe by Robert Schumann. Arizona State University (2019).
  3. Z. B.: 20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo (Heinrich Heine) im Buch der Lieder für eine Singstimme und das Pianoforte. 1997, Thomas Hampson und Wolfgang Sawallisch.
  4. Robert Schumann (1810–1856) / Heinrich Heine (1797–1856): Dichterliebe, Op. 48 (original and final versions, deutsch und englisch). Abgerufen am 15. Juli 2023.